BERLIN - MITTE

  Berlin

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Von der Siegessäule zum Fernsehturm

Schloßbrücke

Alles Mitte, oder was?

Die Brücke

Postkarte von 1905. Vor dem Auto nur schwach zu
erkennen der Teil, der aufgeklappt werden konnte.
Nein, "Schloßbrücke" mit "ß" ist kein
Schreibfehler! Aber der Reihe nach.

Schon im frühen 15. Jahrhundert war auf den
ersten Stadtplänen an der Stelle eine hölzerne
Brücke eingezeichnet. Sie überwand den
Cöllnischen Stadtgraben und hatte den Namen
Hundebrücke. Man ritt ja samt Hundemeute
vom Schloss zur Jagd in den Tiergarten.

Sie war schmal, bestand aus sieben Bögen und
das Mittelteil ließ sich aufklappen. Über die
Brücke wurden die Baumaterialien für den
Schlossbau und die Gebäude Unter den Linden
transportiert.

Erst 1738 wurde sie ersetzt. Der
Oberbaumeister Titus de Favre - wer immer
das war - entwarf die Pläne und der
Hofzimmermeister Büring brauchte nur ein
Jahr, um sie zu errichten.

Schade, dass es solche Leute nicht mehr gibt:
Berlin könnte dringend einen
Hofflughafenbaumeister gebrauchen...
Im Jahre 1806 marschierte Napoléon mit seinem Heer über die Brücke.

Als der König Anfang des 19. Jahrhunderts empfand, die alte Holzbrücke passe nun nicht mehr zu den schönsten Gebäuden der Residenzstadt Berlin, bekam der Geheime Oberbaurat und Architekt Karl Friedrich Schinkel den Auftrag, eine repräsentativ breite Brücke zu planen und bauen zu lassen.

Die Pläne lagen 1819 vor und die Hundebrücke wurde 1821 abgerissen und durch eine hölzerne Notbrücke ersetzt. Der Baugrund ist heute noch schwierig. Das Wasser musste gestaut und für die Brückenpfeiler 12 Meter lange Eichenpfähle eingerammt werden. Sie sind wohl immer noch da im Untergrund des 400 m langen Kupfergrabens, wie der Cöllnische Stadtgraben heute heißt.
Die Schloßbrücke von der Südseite aus gesehen. Links das Zeughaus
(Deutsches Historisches Museum) Jan. 2005
Der Grundstein wurde am 23. Mai 1822 gelegt. Die 33 Meter breite Brücke erhielt bei der Gelegenheit den Namen Schloßbrücke. Sie sollte genau so breit sein wie die Prachtstraße Unter den Linden zwischen dem Schloss und dem Brandenburger Tor. 

Es müssen sehr viele Arbeiter an diesem Spreearm (Landwehrgraben) eingesetzt worden sein, denn in nur 2 Jahren war die Brücke mit ihren
drei Flachbögen fertig. Der mittlere Bogen konnte mittels 8 Eisenplatten aufgeklappt werden.

Mit der übereilten vorzeitigen Einweihung bekam die Brücke dann für viele Jahre einen negativen Ruf. Sie war noch nicht gepflastert und die Geländer fehlten noch, da befahl der König am 28. November 1823 die Einweihung. Am nächsten Tag sollte der preußische Kronprinz, der spätere König Friedrich Wilhelm IV. heiraten. Es sollte eine pompöse Feier auf dem Lustgarten werden.
Die Figuren der Nordseite vor dem Berliner Dom (April 2004)
Die Studentenschaft organisierte einen Fackelzug, 300 Ehrenjungfrauen (!?) waren bestellt, ein großes Gewächshaus stand auf dem Lustgarten und die Berliner strömten zu Tausenden herbei - nicht anders als heute, wenn es was zu sehen, was Neues oder etwas umsonst gibt. Sie strömen noch heute zu jeder dämlichen Einkaufscenter-Eröffnung.

Als die Menschenmenge am Ende der Feierlichkeiten über die Brücke zurückströmten, kam es zum Unglück. Die hölzernen Notgeländer hielten dem Druck nicht stand und viele fielen ins Wasser. 22 Menschen starben. Berlin erregte sich auch darüber, dass der König sich Todesanzeigen verbat "als Rücksicht auf das fürstliche Brautpaar." Ministerien erlaubten die Anzeigen schließlich doch.

Umbau und Reparaturen der Schloßbrücke bis heute

Der Spreearm wurde 1912 vertieft. Somit waren die eisernen Klappen des Mittelbogens überflüssig und man baute einen Stahlbetonbogen ein ohne das Aussehen zu verändern. 1927 und 1938 geschah Gleiches mit den Seitenbögen. Den 2. Weltkrieg überstand die Brücke fast unversehrt.

Die nächsten Reparaturarbeiten fanden zwischen 1950 und 1952 statt. Mit dem Abriss des Schlosses wurde die Brücke in Marx-Engels-Brücke am 1. Mai 1951 umbenannt. Schinkel oder nicht, dem Teilstaat war alles preußische suspekt. In der Führung saßen eben Arbeiter und Bauern und so handelten sie auch.

Erst am ersten Jahrestag der Deutschen Wiedervereinigung, dem 3.Oktober 1991, bekam die Brücke wieder ihren alten Namen zurück: Schloßbrücke. Nach der Rechtschreibreform 1996 müsste sie ja
„Schlossbrücke“  geschrieben werden. Aber der Senat konnte sich wegen totaler Überlastung aller Beamter in Berlin zur Änderung noch nicht durchringen und so muss sie offiziell weiterhin mit "ß" geschrieben werden.

Eine Generalsanierung fand in den Jahren von 1995 bis 1997 statt. Dann wurden die Figureneingerüstet, jetzt wird Schloss und U-Bahn gebaut. Es ist damit zu rechnen, dass die Brücke bis in die nächste Eiszeit für immer Baustelle bleibt und nie mehr ihre Schönheit zeigen kann. Berlin eben.
Na? Kommt die Schloßbrücke nicht schön zur Geltung? Aufnahme vom März 2014.

Die Pfeilerfiguren der Schloßbrücke

Die Figuren der Südseite vor der Fassade des "Palastes der Republik" (Dezember 2004)
Hier auf der Südseite der Brücke, im Westen - Richtung Brandenburger Tor, rechts im Bild - beginnt die Geschichte des Helden. Alle Figuren stehen auf einem roten Granitsockel über den Pfeilern der Brücke.
Darauf steht ein Marmorsockel, der die Figuren aus Cararamarmor trägt.

Am Figurenschmuck der Berliner Schloßbrücke waren die größten Künstler des 19. Jahrhundertbeteiligt. Der für Berlin so unentbehrliche Geheime Oberbaurat und Architekt - ohne Titel ging in Preußen gar nichts - Karl Friedrich Schinkel entwarf die großen acht Skulpturen in den Jahren 1813-
1815. Da aber der Preußische Staat kein Geld hatte, wurden sie erst zwischen 1847 und 1857 leicht verändert ausgeführt.

Ursprünglich wollte Schinkel mit der Skulpturengruppe an die siegreichen Befreiungskriege 1813 bis 1815 gegen Napoleon erinnern. Er wählte Motive aus der griechischen Mythologie. In einem ersten Entwurf hieß es:
„In den Gruppen sind Helden und Siegesgöttinnen ganz ideal
aufgemaßt unter den hier gewählten Gegenständen sind folgende: ein
junger Held wird von einer Siegesgöttin in den Kampf geführt, ein Held
von ihr gekrönt, ein Held im Kampf von ihr unterstützt, ein sterbender
Held [liegt] in ihren Armen u. dergl.“
Schinkel verstarb am 9.Oktober 1841 in Berlin.

Ein Jahr später wandelte der neue Architekt des Königs Friedrich Wilhelm IV., Friedrich August Stüler, das Konzept Schinkels leicht ab. An den vier jeweils in der Mitte stehenden Figuren fielen die Flügel weg. Ganze acht Flügelpaare waren dann doch etwas zu viel.

Die griechische Siegesgöttin Nike (römisch: Victoria) wurde immer mit Flügeln dargestellt. Sie wurde durch die flügellose Pallas Athene ersetzt. Sie ist die Göttin der Weisheit, der Künste, der Strategie, des Kampfes und Namensgeberin von Athen (röm. Minerva) europaweit.

Den Wettbewerb für die Ausführung der Figuren 1842 (heute müsste der Senat das machen und es würde Jahre dauern) gewannen 8 Berliner Bildhauer aus den Schulen von Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch.

Einen kleinen Skandal gab es trotzdem. Spinner gab es ja schon immer in Berlin. Einige Zeitgenossen hatten Angst, die ach so tugendsamen Berliner könnten durch die Nacktheit der Figuren Schaden nehmen.

Im Jahre 1847 war die erste Skulptur fertig, 1857 die letzte. Es gab jetzt drei mal die Göttin Nike, viermal in der Mitte Athene und einmal Iris. Die Berliner sollen die Figuren mal "Schlosspuppen" genannt haben. Nie gehört: Da fehlt auch der typische Berliner Witz. Wäre heute so etwas noch möglich? Schon bei dem Namen Nike würde die Jugend fragen: 

„Warum hat die Chefin von „Naikee“ denn keine Turnschuhe an…“

Die Figuren der Südseite

Figur 1

Nike lehrt den Knaben Heldensagen; von Emil Wolff, 1847 (April 2014)

Figur 2

Warum nur mussten die antiken Krieger bei all den Waffen immer nur nackt in die Schlacht ziehen?
Irgendwie unpraktisch. Ist ja so leicht verwundbar! Gegen unbekleidete Damen kann ja nun keiner was haben, oder?

Athena unterrichtet den Jungen im Waffengebrauch; von Hermann Schievelbein, 1853
Athena unterrichtet den Jungen im Waffengebrauch  Vor der Plane der Bauakademie Dez. 2004.

Figur 3

Athena bewaffnet den Krieger; von Karl Heinrich Möller, 1851. Dez. 2004.

Figur 4

Nike krönt den Sieger; von Friedrich Drake, 1853 (April 2014)

Kuriosum der Deutschen Geschichte

Während des 2. Weltkrieges wurden die Brückenskulpturen ausgelagert. Nach Kriegsende und der Teilung Deutschlands befanden sie sich plötzlich im Westen und die Brücke stand im Osten.
 
Erst während eines Kulturaustausches kamen sie zurück nach Ostberlin. Sie wurden restauriert und standen dann zwischen 1983 und 1984 wieder an ihrem ursprünglichen Platz.
Die letzte Restaurierung der Figuren erfolgte zwischen 2012 und 2013.

Die Figuren der Nordseite

Figur 5

Dezember 2004

März 2014


Nike richtet den Verwundeten auf 
von Ludwig Wilhelm Wichmann, 1853



Figur 6

Der Jüngling wird von Athena in einen neuen Kampf geführt; von Albert Wolff, 1853. (März 2014)

Figur 7

Der junge Held wird von Athena beschützt; von Gustav Blaeser, 1854. (März 2014).

Figur 8

Iris trägt den gefallenen Helden zum Olymp empor; von August Wredow, 1857. (März 2014).

Der Tod des Helden noch mal aus einer anderen Perspektive (Januar 2005).

Die Göttin Iris verkörpert in der griechischen Mythologie den Regenbogen und kann nach dem Weltbild der Griechen die Winde erzeugen. Meist jedoch wird sie als Götterbotin der Göttin Hera dargestellt.

Die Bezeichnungen der 8 Figuren entsprechen der Denkmaldatenbank der Berliner Senatsverwaltung.

Das Geländer

Auch die Motive für das Brückengeländer hat Karl Friedrich Schinkel entworfen. Er wählte dazu maritime Fabelwesen aus der griechischen Mythologie: 

Tritone, Wesen mit menschlichen Oberkörpern.

In den schmalen Zwischenstücken sind Delpine dargestellt, 44 Stück insgesamt. Die Geländer sind aus
Gusseisen und wurden in der Königlich Preußische Eisengießerei in Berlin hergestellt.

Das Teil nebenan ist ein Original von der ersten Brücke und stehlt auf einem Sockel im Lustgarten gleich neben der Brücke.
Geländer auf der Südseite im Gegenlicht, Februar 2018
Die Aufnahme der Schloßbrücke ist mit dem 400 mm-Canonobjektiv gemacht und aus 5 Hochkantbilder zusammengesetzt. Links das Zeughaus, rechts die James-Simon-Galeri vor dem Dach des Pergamonmuseums . Und hier soll der Spreearm, der Kupfergraben, zur Badeanstalt umgestaltet werden? Irgendwie ziemlich unpassend! (September 2020)
Das glaubt einem kein Berliner! Die Schloßbrücke ohne Baugerüste (bei geschickter Kameraführung natürlich)? Dass man das nach gefühlt 20 Jahren noch erleben darf! (20. September 2020)

Literaturverzeichnis Berlin