Handbuch der Malediven




Kapitel 1

An Land

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Entwicklung des Tourismus und der Infrastruktur

Das ging nicht ohne Hilfe von außen. Hotelfachschulen aus Sri Lanka brachten den ersehnten Aufschwung. Auf Kuramathi sah man nach dem Lunch die Kellner unter den Bäumen im Schatten sitzen und lernen: Teller tragen, Benimmregeln, Servieren und, wie heute noch üblich, die Stoffservietten falten. Groß gewachsene Lankanesen brachten es ihnen bei. Vor allem Benehmen war wichtig. Ibraim, der maledivische Koch, sollte nicht mit rollenden Augen und dem größten Messer der Küche wild fuchtelnd am Strand tanzen und die Bakshishheischerei war oft ganz schön heftig.

Infrastruktur

Personal, Touristen, Übernachtungen

Als 1982 der Tourismus in großem Stil begann, gab es ein Problem: Es gab keine ausgebildeten Fachkräfte auf den Malediven. Es fehlte an Köchen, Kellnern selbst an Hilfspersonal. Aus den entfernten Atollen wurden Arbeitskräfte herangeholt und noch heute ist wohl jeder zweite Malediver im Service aus dem Addu-Atoll. Anreise, Unterkunft, Verpflegung, Heimaturlaub, Bezahlung - alles musste organisiert werden. Gesetze wurden erlassen, die ganze Gesellschaftsordnung der Malediven wurde umgekrempelt.

Kuramathi, 1982 am alten Restaurant: Das Boot nach Rasdu (beinahe voll!) mit den Frauen legt ab. Sie hatten die Insel gefegt.

Der erste Koch, Bernd, kam aus Berlin. Er hatte 2.45 US$ pro Tag und pro Kopf für die Verpflegung der Urlauber zur Verfügung. Aber die ca. 80 Leute, die da waren, waren den ganzen Tag im Wasser und hatten einen kräftigen Hunger. So gab es erst einmal Platten mit Cocosstücken vorweg und wenn dann das Boot mit den Eiern nicht kam, musste er wohl oder übel an seine eisernen Reserven und eine der riesigen Büchsen billigen Schmelzkäse opfern. Trotzdem, es war die schönste Zeit auf den Malediven!


Der Arbeitskräftemangel war so groß, dass zum Inselfegen die Frauen aus Rasdu geholt werden mussten - was das Hotelpersonal natürlich wiederum von jeder Arbeit abhielt. So ging es auch nicht lange gut. Die Mullahs setzten sich durch und verboten es nach kurzer Zeit leider wieder.

Die pure Sensation nach 24 Jahren Maledivenurlaub: Eine Frau als Bedienung an der Bar in Embudu. Hier arbeitet die nette Reka aus Aluthgama, Sri Lanka mit ihren Kolleginnen schon seit 1990. Foto Embudu, 2003. Ab 2011 endete diese Ära. Die Probleme waren wohl doch zu groß mit all den eingesperrten jungen Männern...

Die Regierung sah bald ein, dass es so nicht weiterging: Gastarbeiter mussten her.


Jede Insel beschäftige eine Vielzahl von Gärtnern. Maledivische Gärtner gibt es relativ wenige. Die Gärtner kommen vorzugsweise aus Bangladesh, aus Südindien, auch aus Nepal, seltener aus Sri Lanka. Dort sind die Löhne schon zu hoch. Hierher kommen eher die hoch dotierten Berufe wie Köche und Barleute, während die beiden anderen Länder für die Malediver ausgesprochene Billiglohnländer sind.


Das Gespräch mit den Bangladeshis ist interessant, weil sie immer verblüfft sind, dass eine Langnase ihr Land kennt - oft besser als sie. So erfährt man auch einiges über die Lebensbedingungen der „Gastarbeiter“. Und die sind schlimm. Ist ihre Arbeit erledigt, dürfen sie ihren Compound, meist in der Mitte der Insel, nicht mehr verlassen. Wie alle anderen dienstbaren Geister auch. Der Urlauber soll schließlich ungestört bleiben.

Um die Umweltbelastung für eine der Urlaubsinseln herauszubekommen kann man folgende recherchierte Zahlen zugrunde legen. Eine Insel mit 238 Betten hatte 2003 fast genau 100 Leute an Personal. Interessanterweise waren nur noch 50 % Malediver. Sie werden bevorzugt an der Rezeption / Management, als Bedienung im Restaurant (mtl Verdienst um die 250 US$ plus Tip), als Roomboys (ca. 300US$ plus Tip), als Bootsleute und als Handwerker eingesetzt


Die „Gastarbeiter“ haben Jobs als „Gärtner“ (Insel fegen), Wächter, in der Wäscherei, als Küchenhilfen. Ihr Verdienst liegt so zwischen 75 und 100 US$ pro Monat und manchmal ist ein Heimflug jährlich dabei. In ihren Heimatländern Indien, Nepal, Bangladesh ist das oft ein ganzer Jahresverdienst. Hat man Glück mit der Wahl seiner Insel, dann kommen die Köche aus Sri Lanka. Die Barleute kommen immer daher. Schließlich sollen die Moslems ja nicht mit Alkohol in Verbindung kommen.


Mit Indern kommt es durch das Kastenwesen bei der Arbeit schon mal zu Konflikten, die hier allerdings von keinem Touristen bemerkt werden. Der „Sweeper“, der in der Küche den Boden aufwischt, darf natürlich auf keinen Fall mit einem Teller in Berührung kommen, der Gemüse putzt nicht mit einem Besen, ein Wächter trägt keinen Korb ins Haus. Will man in Indien einen einigermaßen funktionierenden Haushalt führen, benötigt man schell mal 8 oder 10 Bedienstete. Vielleicht ist das ein Grund, warum es verhältnismäßig wenige Inder als Gastarbeiter auf den Malediven gibt.

Riffausschnitt Ellaidhoo 1996: Gestorben schon damals an den Abwässern, ein Grund, die Insel nicht mehr zu betreten.

Die Nationalitäten der Reisenden hängen stark von den Reisegesellschaften ab. Italiener haben ihre Inseln mit italienischem Management, die Skandinavier bevorzugen Kuredu (schwedisches Management) usw.

Die Insel kann also theoretisch im Jahr 86.870 Touristen- und 36.500 Personal-Übernachtungen bieten. Wenn von denen sich jeder auch nur jeden zweiten Tag die Haare wäscht: Wohin mit den Tensiden, den langen Molekülketten im Haarwaschmittel, wohin mit den Fäkalien, den Abfällen, woher kommt die Energie, das Süßwasser?

Das Riff und die Korallen wurden mit dieser Art Chemikalien noch nie fertig. Es hätte des El Niños nicht bedurft, um alles absterben zu lassen. Man überlege sich: Es geht hier bei dem gewählten Beispiel um eine Insel in einem der diffizilsten Ökosysteme der Erde, die nur 280 x 180 m groß ist und heute rund 100.000 Übernachtungen verkraften muss, die früher kaum Lebensraum für eine einzige Familie abgegeben hätte!

Stromversorgung

In den ersten Jahren des Tourismus war der wichtigste Einrichtungsgegenstand in den Zimmern eine Kerze und eine Packung feuchter, nie brennender Streichhölzer. Der Strom fiel immer aus. Auch beim Abendessen. Die Diesel waren alt und ratterten mit Ach und mehr mit Krach laut auf der ganzen Insel vernehmbar vor sich hin. 


Abends, wenn alle Lichter angingen, musste ein zweiter Diesel und Generator dazugeschlagen werden, was immer ein Problem ist. Laufen die Generatoren nicht in Phase, produzieren sie nur eine Scheinlast. Die Diesel laufen dann unter Volllast, qualmen schwarz, aber das Stromnetz bricht zusammen. Das ging lange Jahre so. 

Die Power Station von Ellaidhoo 1996. Was da so hell durchschimmert, ist Korallensand. 1 oder 2 Meter darunter ist das Trinkwasserreservat.

Die Insel ist ja nicht groß. Erstaunlich, wie wenig Touristen hierher kamen, obwohl sie 3 Wochen auf der Insel waren. Man lässt sich eben seinen Urlaub nicht versauen.

Einen Vorteil hatte die Energieknappheit damals: Es gab keine Umweltverschmutzung durch Licht. Ungestört war der fantastische Sternenhimmel der Tropen zu sehen gewesen. Die gewohnten Sternenbilder an vollkommen anderer Stelle als an unserem Winterhimmel, das Kreuz des Südens im Südosten über dem Äquator aufsteigen zu sehen, das helle Band der Milchstrasse in ungeahnter Intensität - alles vorbei auf den Inseln heute. Da ist rundherum gleißendes Licht. Auch eine Umweltverschmutzung.


Aber die Bebauung der Insel wuchs und wuchs. Auf Kuramathi z. B. von 40 auf mehr als 285 Häuser im Jahr 2003 (geschätzt). Jedes Zimmer mit Klimaanlage, Trinkwasseraufbereitung für 2000 Leute. Heute stehen modernste, leistungsfähige Aggregate anstelle der ratternden Diesel und Tanker ankern dort, wo einst die schönsten Korallen waren.


Den meisten Strom fressen die völlig unnötigen Klimaanlagen - wären die Häuser nicht falsch gebaut (Bebauung, Haustypen und Bausünden). Wer meist in den Wintermonaten hierherfährt, sollte sich eigentlich über die Temperaturen von 26 -32 Grad bei relativ geringer Luftfeuchtigkeit freuen und ein großer Ventilator an der Decke sollte ausreichen - wenn die Häuser, wie angesprochen, nicht falsch gebaut wären!

Trinkwasserversorgung

Wir haben es überlebt. Die Korallen nicht.

Wie in " Die ursprünglichen Inseln" beschrieben liegt unter den Inseln eine Süßwasserblase, die auf dem Salzwasser schwimmt. Hat es geregnet, ist daraus trinkbares Wasser zu entnehmen. Entnimmt man zuviel oder hat es länger nicht geregnet, ist dieses Wasser schwefelhaltig von sich zersetzenden Eiweißen und auch abgekocht nicht mehr zu genießen.

Kuramathi, quasi im Urzustand um 1985

Anfang der 80er Jahre wurde mit dem schwefelhaltigen Wasser in Kuramathi noch die Brauchwasserversorgung aufrechterhalten. Trinkwasser wurde in Kanistern von Rasdu herangeschafft und in Thermoskannen aufs Zimmer gestellt. Na ja, zum Zähneputzen ging es ja - wenn man Wasseraufbereitungstabletten reinwarf... 

Doch wohin mit den Fäkalien, den Abwässern? Raus ans Riff ging auch nicht. Für Kläranlagen sind die Inseln zu klein und es gab auf dem Weltmarkt auch kaum Anlagen für so geringe Abwassermengen. Also rein in die Trinkwasserblase an möglichst entfernter Stelle von der Entnahme. Das war richtig gefährlich. Oft hatten alle Leute auf der Insel einen anständigen Durchfall. Langsam sickerte die für Korallen absolut tödliche Brühe aus der porösen Insel ins Riff, überall auf den Hotellinseln...


Ab Mitte der 80ger fingen die Korallen an den Inseln an, abzusterben - auf einigen Insel eher auf andern später. Auf Kuramathi ab 1986, auf Ellaidhoo ab 1995, belegbar durch meine UW-Dias. Aber dazu mehr in "Zustand der Korallen vor 1998"


Die bald eine Million Touristen (ca. 2012/13) auf den kleinen 70 oder 80 Inselchen werden heute sehr energieaufwendig durch Meerwasserentsalzungsanlagen versorgt. Jetzt müssen auch Swimmingpools mit dem teuer erzeugten Trinkwasser gefüllt werden. Jeder, der mal einen Pool hatte, weiß wie aufwendig es ist, das Wasser klar zu halten, kennt die Liste der Chemikalien, die zumal bei den tropischen Außentemperaturen eingesetzt werden müssen. Irgendwann muss das Wasser ja mal abgelassen werden. Die Koralle, die diesen Chemikaliencocktail überleben kann, muss erst einmal „erfunden“ werden.

Warmwasseraufbereitung für mehrere Häuser per Solarzellen. Bei weitem besser als die lässig direkt am Hahn der Dusche installierten Minidurchlauferhitzer.

Ein richtiger, ein guter Schritt:

Kuramathi, 1999

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