Afghanistan


Es war eines der schönsten Länder der Welt

Afghanistan
Seite       von 19

15

Von Kabul aus in Richtung Westen

Kandahar Airport, die Sandwüste und das Arghandabtal

Wie friedlich und absolut ungefährlich war es mal in Kandahar am Rande der Wüste. Der Bus fährt Richtung Flughafen. Rechts hinten ist der „Elefantenberg" zu sehen, das heimliche Wahrzeichen der Stadt. Der Dunst kommt von den vielen offenen Feuern auf denen das Abendessen zubereitet wird.
Die mächtigen schattenspendenden
Fluggastbrücken aus Beton hatten
aber auch Nachteile. Die Bring 727-
100C war mal mit dem Flügel
dagegen gefahren und konnte nicht
weiter fliegen.

Man kannte ja einige Piloten. Sie
spielten im Deutschen Club in
Kabul Tennis. Was die so erzählten:
Einmal, so um 1955, ist eine DC 6
mitten in London nachts auf einer
Hauptstraße runtergebracht
worden. Der Pilot hatte die
Beleuchtung der Straße mit der
Landebahnbefeuerung eines
Flughafen verwechselt...
Auf das Flugfeld zu kommen
oder, wie weiter unten, auf den
Tower zu kommen - der war eh
nicht besetzt, man flog auf Sicht
- war kein Problem.

Eine chinesische Delegation
wurde hier vom aufgeregten
Gouverneur von Kandahar
empfangen.
Noch so ein Spritfresser: eine
Yak 40 der kleinen Bakthar
Afghan Airline. Diese russische
Maschine war wegen der
schlechten Flugleistungen trotz
hohem Verbrauch im Westen
nicht zu verkaufen. Verdammt
laut war das Ding sogar innen...
Ein Dorf am Rande der Straße zum
Flughafen zur pakistanischen
Grenze und weiter nach Quetta.

Die Kugelbauten aus Lehm haben
meterdicke Wände aber ganz kleine
Fensteröffnungen unverglast. In
diese Öffnungen wurde spitzer
Kameldorn aufgeschichtet. Ein
Schluck Wasser in den Mund
genommen und in den Kameldorn
reingesprüht, senkt die
Raumtemperatur um 20°C!

Das Wasser läuft an den
nadelfeinen Dornen als kleinste
Tröpfchen herunter - und verdunstet
in der Zugluft! Die effektivste
Klimaanlage, die man sich denken
kann. Der Sand vor den Häusern
hatte sage und schreibe 70°C!
Und im Schatten? Keine Ahnung:
es gab keinen.


Der Flughafen Kandahar muss in
den 60gern zusammen mit den
Straßen gebaut worden sein. Ein
hübscher kleiner Flughafen aus
edlen Materialen mit runden
Dächern, entworfen von einem
afghanischen Architekten.

Ursprünglich sollte hier eine Art
Luftkreuz für Maschinen von
Europa nach Fernost entstehen -
so hoffte man. Aber die Reichweite
der Flieger wurde immer größer
und sie flogen einfach vorbei.

Es gab kaum Flugbewegungen. Ein
paarmal in der Woche landete die
einzige Düsenmaschine der Ariana
Afghan Airline, eine Boeing 727,
auf dem Weg nach Europa. Sie
,kam zum Auftanken herein.

Startete dieser Spritfresser nämlich
in Kabul, konnte er nicht vollgetankt
werden. Er wäre sonst nicht über
die hohen Berge, die Kabul
umgeben, gekommen. Auch so
musste er noch im Talkessel der
Stadt einige Schleifen fliegen um
Höhe zu gewinnen.

Der Flughafen in Kabul wurde
deswegen nie von westlichen
Gesellschaften angeflogen. Nur die
PIA (Please Inform Allah oder
Pakistan International Airline) traute
sich das mit kleineren Maschinen.

Im Flughafen war es durch die
dicken Wände und die runden
Dächer mitten in der Wüste auch
ohne Klimaanlage angenehm kühl -
und immer leer.
Ariana Afghan Airline am Airport Kandahar zum Auftanken
Ariana Afghan Airline am Airport Kandahar zum Auftanken
Auf dem Flug nach Europa konnten die Flieger in Kabul nicht vollgetankt abheben. Der Flughafen Kabul liegt zu hoch. So war eine Zwischenlandung im 600 km weiter westlich liegenden Kandahar zwingend nötig, obwohl das Keosin mühsam mit Tankwagen hier her gefahren werden musste. 

Nebenstellenanlage im Kandahar Airport

Damals, in den Zeiten der Technischen Entwicklungshilfe, ließ auch Belgien sich nicht lumpen und so kam der Airport zu diesem Dragonergeschenk, einer nicht verkleideten, relaisgesteuerten Nebenstellenanlage mittelalterlicher Technik - denkbar ungeeignet für einen störungsfreien Betrieb am Rand der Wüste.

Elektromotoren hinter den monströsen Gestellreihen trieben Stangen an, die über Kegelzahnräder die Drehung in die Gestelle mit den Schaltarmen brachten. Im Bild ganz rechts sind die Eisenstangen zu erkennen. Dort klinkten Elektromagnete mit der Kraft von 2 kg blecherne Zahnradplatten aus und in die Zahnräder der Stangen ein und die 6 Schaltarme fuhren gemächlich zu den gewünschten Positionen und schalteten die Verbindung durch...

Nun sind und waren in solchen Ländern Worte wie Wartung und Pflege vollkommen unbekannt. Wahrscheinlich durch Kontaktfehler schaltete einer der Elektromotoren nicht mehr ab und lief weiter, wenn auch gar kein Verkehr auf dem Monstrum war - nächtelang, wochenlang, monatelang. Nach dem dritten Sandsturm wollte der Motor nicht mehr. Er brannte ab.

Das Feuer zerstörte Teile der Verdrahtung. Das Ding stand, ein Unding also. Zwar gab es keinen Passagierverkehr, aber welcher Afghane hatte damals schon mal telefoniert und so war der Stillstand von politischer, zumindest von lokalpolitischer Bedeutung. Pech, wenn man da in der Nähe ist...

Der Tabeldar

Der Beruf des Tabeldars kam dem Traumberuf vieler Afghanen - im eigenen Dukan in der Mitte seiner Waren zu sitzen, Tee zu trinken und zu handeln, feilschen um die Preise - schon sehr nahe. Zum Lagerverwalter mussten ja auch alle kommen wenn sie aus seinem Reich etwas benötigten. Es war schwierig, je etwas aus den Lagern
wieder heraus zu bekommen. Ohne Bakschisch ging es schon gar nicht.

Die Voraussetzungen für diesen Beruf waren schwierig. Man musste am Besten der Onkel-Onkel-Sohn von jemand großem sein, musste mit seinem Vermögen für den Lagerinhalt haften. Da nun in den meisten Fällen kein Vermögen vorhanden war, konnte man auch einen Teil des kläglichen Verdienstes weiter reichen. Klar, dass das durch Bakschisch wieder ausgeglichen werden musste, um überleben zu können.

Desweiteren musste der Anwärter lesen und snchreiben können. Und ein Lineal besitzen. Damit ließen sich die dreiteiligen Formularblöcke auf den Millimeter genau trefflich abreißen.

Wurden nun Ersatzteile im Lager angeliefert, kam man so schnell nicht wieder an sie heran. Zumal für diesen Fall auch keine schwarze Kasse vorgesehen war. Es sei denn, man griff zu kleinen Listen. Brachte man dem vorne Tee und viel Sü.es mit, konnte die Counterparts hinten die benötigten Dinge oft unbemerkt herausholen.

Anders hier am Airport. Der Ersatzmotor war schnell da. Keine 12 Unterschriften und die Jungs hatten ihn schnell und geschickt eingebaut. Schwieriger war es mit den Schaltunterlagen. Unabdingbar, um die verschmorte Verkabelung ersetzen zu können. Nach einem halben Tag bei 45°C kam er mit einigen Ordnern angeschlurft. Das Benötigte war nicht dabei.

Ziemlich kleinlaut murmelte er auf Farzi: "Das Papier hat noch nie einer gebraucht", und beim nachbohren: " Weißt du, Sahib, vor Jahren war es morgens so kalt im Winter und der Strom war auch ausgefallen. Wir hatten doch nichts zum Tee kochen...".

Al ham dulillah!

Nach einer Woche lief das Ding wieder mit Ach und Krach. Die Belgier hatte eh seltsame Pläne. Gab es bei vergleichbaren deutschen Telefonanlagen extra Pläne für Verdrahtung und Schaltung, hatten die alles in Originalgröße in riesigen Bögen zusammengezeichnet. Jedes Bauteil saß da 1:1 an seinem Platz, jeder Draht einzeln eingezeichnet, unmöglich den Zusammenhang der Schaltung zu erkennen. Da waren ja Omas Schnittmusterbögen für 7 Kleider in 12 Größen eine richtige Erholung.
Feierabend. Auf der Fahrt vom
Flughafen zurück ins verlauste
Manzelbach-"Hotel" in
Kandahar, einem ehemaligen
Straßenbaucamp der
Amerikaner.

Nachts in der Wüste

Hier im Südwesten von Kandahar beginnt die Sandwüste. Die Dascht-e-Luz, die Wüste des Lichtes, erstreckt sich Richtung Westen bis nach Iran. Eines Tages beschlossen wir, eine Nacht in der Wüste zu erleben. Drei Mann und der afghanische Fahrer im VWBus. 30 km südlich von Flughafen Kandahar reichen die Sanddünen bis an die Straße, die nach Quetta führt.

Wir ließen nach einigen Metern den Wagen am Rande einer großen Düne halten - und der Fahrer weigerte sich, auszusteigen. Warum denn nicht? Na, hier gebe es doch Geister und unheimliche Ungeheuer.

Er schloss sich im Bus ein und wir schleppten die Eisbox mit Bier (die Gefahr des Verdurstens soll ja in der Wüste sehr hoch sein), Schlafsäcke, Gewehre und Whiskey an den langen Strand. Sind ja Luftline nur 700 km (Google Earth sei dank) bis zum Meer, der Arabischen See.

Hier auf dem 30. Breitengrad bricht die Dunkelheit schnell herein. Da hupte es wild. Wir rannten die Sanddüne herunter und fanden den zitternden Fahrer im verschlossenen Bus. Er wies entsetzt auf ziemlich große Tiere in 5 m Entfernung: Stachelschweine.
Sind die Spuren von Schakalen?
Natürlich kannte keiner von uns
das Wort in Farzi. Allein das Wort
-schwein vergrößerte seine
Abscheu ins unermessliche.

Nie vorher und nie mehr danach
sahen wir in unserem Leben
einen solchen Sternenhimmel,
oder, besser, ein solches
Himmelsgewölbe.

Da es keine Umweltverschmutzung durch Licht gab und keinerlei
Luftfeuchtigkeit, waren die Sterne
in der mondlosen Nacht direkt
von Horizont zu Horizont zu sehen. Diese so nie gesehene Pracht der Sterne ließ uns sprachlos werden.

Genau wie am nächsten Morgen.
Auf dem Schlafsack saß der
größte je gesehene Skorpion mit
hoch erhobenem Schwanz und
drohendem Stachel. Um alle
Schlafsäcke herum waren
Tierspuren zu sehen, viele
gewundene von Schlangen.

Schlangen gab es viele im Land
und alle waren tödlich. Der
Arbeitgeber versorgte uns
halbjährlich mit Serum. Es lag
manchmal im Wagen, ungekühlt...

Die Wüste lebt wirklich - wer hätte
das gedacht.

Und hart ist sie. Der Sand ist so
fein und gibt nicht nach, drückte
verdammt durch den dicken
Schlafsack.

Und kalt ist sie. Die aufgehende
Sonne traf uns wie mit einer
heißen Keule.

Auch der Fahrer hat die Nacht gut
überlebt, war allerdings sichtbar
gealtert...

Das Argandabtal nördlich von Kandahar

Man kann monatelang in Kandahar leben und arbeiten, ohne dass einem der Fluss Arghandab überhaupt auffällt. Dabei hat er seit mehr als 2000 Jahren das Leben hier in der Steinwüste am Rande der Sandwüste erst ermöglicht.

Die größte Wassermenge des schmutzigbraunen Wasser sfließt ab dem Staudamm fast ausschließlich in Kanälen. Der Fluss entspringt nordwestlich von Ghazni in der Provinz Hazarajat und fließt 20 km südlich von Girischk bei Qala Bost in den Helmend - wenn er dann noch Wasser führt. Er ist ungefähr 400 km lang.

40 km nordöstlich von Kandahar wird der Fluss aufgestaut. Turbinen erzeugen Strom. Die Staumauer hält das Schmelzwasser des Hindukuschs im Frühjahr zurück. Das untere Bild zeigt einen Überlauf des Stausees im Winter. Der See ist nach dem langen und heißen Sommer fast leer.Parallel zum Arghandab fließt der Tarmak River. Er ist mit 350 km kürzer und führt weniger Wasser. Der Fluß versorgt Ghazni, Zabul und auch Kandahar mit dem kostbaren Nass. Hätten Afghanen nicht auf den Fluss hingewiesen, wäre er als solcher nicht erkannt worden. Auf Landkarten ist er meist nicht eingezeichnet. Gute Landkarten gab es eh nicht, aber auch auf Google Earth ist er nicht zu finden.
Glück gehabt. Er schaut gerade
weg...

Im Hintergrund ein Kanal mit
dem Wasser des Arghandab aus
dem gleichnamigen Stausee. Es
wird zu den fruchtbaren Feldern
weiter unten in den Ebenen
geführt.
Überlandbus...
...sofort bereit, um mit dem Ungläubigen "roll-ma-roll" zu machen.
Rast an einem Überlauf des
Arghandabstausees im Dezember.











Auf der anderen Seite des
"Elefantenberges" liegt die
Hauptstraße Kabul-Herat. Da ist es
staubtrocken in der Steinwüste und
man ahnt nicht, dass es dahinter
Wasser und damit Leben gibt.

Wenn es einmal stark im hunderte
Kilometer entfernten Hindukusch
regnen sollte, oder die
Schneeschmelze ganz plötzlich
einsetzt, kann man hier u. U. eine
tödliche Überraschung erleben.
Es ist ein Wadi. Blitzschnell kann
dieses flache Tal dann unter Wasser
stehen und alles mit uriger Gewalt
hinwegspülen.

Wadis können mehrere Kilometer
breit sein. Sie sind schwer zu
erkennen. Es kann viele Jahre
dauern, bis mal wieder Wasser
kommt. Bis dahin sind oft die
Fließspuren durch Sandstürme für
ungeübte Augen verwischt und
nicht mehr zu erkennen.

So paradox es klingt: Es sind schon
viele in der Wüste ertrunken.
Ist das nicht eine schöne Landschaft?

Auf dieser Stecke war der VW-Bus
oder der olle Käfer das richtige
Auto. Die nächste "Tank-e-Tel" war
mindestens 200 km weit weg und
verkaufte Sprit mit 68 Oktan.



Ob hier der Porsche Cayenne, der Tuareg von VW, der große BMW oder der Audi Q8 die richtigen Mühlen wären? Auf solchen Straßen bricht jeder Draht mal ab, fliegt schon mal die Windschutzscheibe raus. Und dann? Ab nach Stuttart, Ingolstadt, Wolfsburg wenn die Elektronik streikt? Alles SVUs. Na, der G vom Stern würde gehen oder ein guter Japaner.
Solche Begegnungen wird es
heutzutage nicht mehr geben.
Azzis, der Cheftechnicke, der da oben am Überlauf sitzt, freute sich.

Er sagte, wenn die Kutschis
kommen, kommen die Rutschis und mit ihnen der Frühling. Normaden und Schwalben - oder umgekehrt...

Westlich von Kandahar: Ein Dorf in 6 Stockwerken

Auf einem der Wochenendausflüge mit den afghanischen Counterparts - die armen Kerle schliefen immer ja 3 Wochen lang auf dem Fußboden in der Vermittlungsstelle - zeigen sie mir diese sechsstöckige Lehmburg. 3 Stockwerke über und 3 unter der Erde. An der tiefsten Stelle war immer noch Wasser in der Zisterne, kühl und frisch.

Die umliegenden Berghänge waren säuberlich von Sand und Geröll gereinigt und versorgten die mehr als 500 Bewohner mit dem kostbaren Nass bei seltenen Niederschlägen. Jeweils eine Sippe, ein Stamm bewohnten so eine Burg. Ziegen, Kamele, Maultiere, Pferde kamen mit in das leicht zu verteidigende Domizil. In den heißen Sommern war es durch die dicken Lehmmauern angenehm kühl, im Winter nicht kalt.
Mitte Januar und der Frühling ist
zu Ende. Das Land vertrocknet,
Niederschläge gibt es nicht mehr,
bald ist auch das letzte Grün
verschwunden.
Soldaten sind überall auf der
Welt arme Schweine, besonders
aber diese Hungerleider hier um
1970 herum in Afghanistan.

Sie haben dicke Mäntel an und
sehen doch aus wie der
sprichwörtliche Strich in der
Landschaft.
Afghanistan Index