Bangladesh: Leben an Flüssen
Vier Bilder von einem Lastensegler auf dem Jamuna River, dem Brahmaputra
Er segelt flußaufwärts, nach Norden
Verblüffend, dass sich das Segel bei den Löchern noch aufbläht.
Viel bringt das Frachtgeschäft wohl nicht ein. Sonst hätte der Skipper die eine oder ander Stoffbahn am Segel ausgetauscht.
Unübersehbar viele Ströme und das Delta bestimmen das Leben in Bangladesh. Die Hälfte des Landes (140.000 qkm) ist überschwemmungsgefährdet. Also eine Fläche wie Bayern (70.000qkm) ist dann unter Wasser. Es liegt nur 8 m über dem ansteigenden Meeresspiegel.
Da die Grenzen 1948 beim Abzug der Engländer künstlich gezogen wurden, besteht das Land nur aus Wasser und sandigen Ebenen. Es gibt mit Ausnahme der "Tea Garden" keine wesentlichen Berge oder Hügel, keine Steine: Das gesamte Land besteht nur aus Schlamm, Wasser und weicher Erde.
Lastensegler
Nix von Steuerbord- oder
Backbordbeleuchtung, kein Gramm Strom an Bord! So etwas ärmliches, so ein klägliches Leben, wie es die Fluss- oder Floßschiffer hier führen, ist selten auf der Welt. Und die werden noch von Banditen überfallen und von korrupten Offiziellen ausgenommen!
Die Hauptarbeit an Bord ist pumpen, die Rümpfe sehen so aus wie die Segel: löchrig. Das Boot auf den 4 Bildern fährt mit der Strömung und mit Wind von achtern. So ein Glück haben sie nicht immer. Aufwärts werden sie staken müssen, mit Bambusstangen und Muskelkraft
den großen Kahn Kilometer um
Kilometer gegen die Strömung im
flachen Flussbett drücken.
Buntes Leben - aber genau so hart
Die Karte ist analog auf der Fahrt von Khulna nach Dhaka auf der „Rocket“ abfotografiert. Leider spiegelt der Blitz in der Mitte. Die roten Stern werden von den Schiffen angefahren.
Der Brahmaputra ist der wasserreichste Fluss Asiens und mit 3100 km einer der längsten Flüsse der Erde. Er fließt vom Nordosten her über die Grenze. Dort, wo er sich Süden wendet, heißt erdann Jamuna River.
Der Ganges fließt aus Nordwest ins Land. Wo er den Jamuna aufnimmt, hat das Flusssystem den Namen Padma River.
Der Meghna bringt sein Wasser in den Padma ein, wo dieser richtig breit wird und sich nach Süden wendet, in den Golf von Bengalen und den
Indischen Ozean fließt.
Unzählige Nebenarme und kleinere Flüsse durchziehen das Land, in dem es fast keine Brücken gab und man auf Fähren angewiesen ist.
Ufer
Mindestens 3 Dinge sind hier
bemerkenswert: das sandige Ufer
des Brahmaputras ohne jeden Stein, der Reisanbau im Schwemmland und die Senknetzfischerei.
Das Ufer ist ca. 3 m hoch, purer
Schwemmsand aus dem Himalaya
und der Reisbauer könnte 3 Ernten
einfahren - wenn es nicht irgendwo
am 3.000km langen Flusslauf oder
hier regnen würde. Das Wasser
steigt oft ohne Vorwarnung schnell
an und wenn er Glück hat, kann er
einen Teil einer Ernte einbringen.
Manchmal geht es ja gut.
Fisch essen soll ja gesund sein. Hier auch? Das Wasser ist ziemlich
verseucht und man sollte nicht
einmal seine Hand hineinhalten.
Die Technik, die der Fischer da
anwendet, ist ausgefeilt und
bestimmt über Jahrhunderte erprobt. Die Fische, die hier gefangen werden, sind bestimmt grätenreiche Weißfische. Von Bord der großen Fähren, mit denen man lange fahren muss, um ans andere Ufer zu kommen, sind häufig kleine Schweinswale zu sehen.
Der Brahmaputra
(in Bangladesh:
Jamuna)
Der größte Fluss ist mit 3.100 km Länge der Brahmaputra. Nur dass er hier nicht so heißt, wie ihn die ganze Welt kennt. Er wurde in Padma umbenannt. Schließlich bedeutet Brahmaputra "Sohn des Brahmas" und Brahma ist einer der 3 Hauptgötter im Hinduismus, der Gott der Schöpfung (Vishnu - Bewahrung und Shiva - Zerstörung). Wo soll man denn im Islam so viel Toleranz hernehmen...
Der Brahmaputra entspringt in den Gletschern Tibets als Ya-Lu-Tssang-Pu. In Assam bekommt er dann den bekannten Namen. In Bangladesh heißt der Fluss bis zur Vereinigung mit dem Ganges: Jamuna. Der vereinigte Flusslauf wird Padma genannt, der nach 105 km bei Chandpur auf den Meghna trifft. Der Brahmaputra ist die Hauptverkehrsader des Landes und voller Leben.
Der Jamuna River ist 3-5 Kilometer breit und auch nur in den Fahrrinnen 5 m tief. Die Fähre benötigt locker 6 Stunden von Ufer zu Ufer
Der Ganges
(in Bangladesh: Padma)
Der Ganges ist 2.600 km lang und entspringt an der indisch-tibetischen Grenze, von wo er nach Südosten durch die Gangesebene fließt. In Bangladesh trifft der Ganges nach 225 km auf den Brahmaputra.
Der Ganges dagegen ist fast frei von jedem Schiffsverkehr. Indien hat das mit dem Farakkastaudamm 18 km vor der Grenze unterbunden.
Der Ganges bei Rashaji. 2 - 3 Kilometer breit aber nur 2 m Tief, kaum schiffbar da total versandet.
Der Meghna River
Der Meghna kommt von den südlichen Hängen der Naga-Manipur-
Wasserscheide. Dort heißt er Barak. In Bangladesh gabelt sich der Barak
in die Flüsse Surma und Kushiyara. Mehrere Nebenarme vereinen sich
beide Flüsse wieder bei Sunamganj und gewinnen an Breite. Der
gemeinsame Flusslauf heißt Kalni bis zum Zusammenschluss mit dem
Ghorautra-Fluß.
Ab hier heißt der Fluss Meghna. Bei Chandpur fließt der
Padma (Ganges-Brahmaputra) in den Meghna, der dann als unterer
Meghna in den Golf von Bengalen mündet. Der Barak-Meghna ist
insgesamt 800 km lang, 420 Flusskilometer davon in Bangladesh.
Was sagen Sie? Ob in China ein Sack Reis umfällt? Na ja,
Ansichtssache...
Oft wochenlang haust die Besatzung auf den Bambusflößen. Sie haben die begehrten Baumaterialien in Indien eingekauft und treiben mit ihnen den Jamuna River hinunter
Die Starkstromleitung ist das
einzige Bauwerk, das damals den Fluss überquert.
Dass die Fundamente der
Masten bewohnt sind,
verwundert nach den Fahrten
durch das Land kaum noch.
Aber wie wohnen die da, wo
ist das Boot, wie und womit kochen sie, trinken sie das Flußwasser?
Verrücktes Land!
Flussfähren und die lebendigen Fähranleger am Brahmaputra - Jamuna River.
Wer ist nicht angezogen von Bahnhöfen, Flughäfen oder Häfen. Die Leute sind anders. Sie sind Reisende, müssen warten, haben Zeit oder sind in Eile. Man schein auf den Fäher auch zu wohnen. Die Besatzung hat Waschtag auf der oft stundenlangen Fahrt.
Entladen eines Frachtkahns am Jamuna River In den Säcken muss etwas schweres sein - sonst würden Frauen die Arbeit verrichten.
Die paar Probleme....
Bis ca. 1950 ging alles noch relativ gut. Es gab Wälder, die Küste war mit Mangroven bestanden, die Flüsse waren tief und die Bevölkerung nicht mal ein Viertel so groß. Schneeschmelze im Himalaya und Monsunregen von Juni bis Oktober sind ja keine Erfindung der Neuzeit. Das Wasser dieses Teiles von Asien musste seit Äonen von Jahren hier durch.
1950 schüttelte ein furchtbares Erdbeben das Land so durch, dass die Flüsse versandeten. Die Ufer brachen ein, die Flüsse waren nicht mehr tief genug, die Fließgeschwindigkeit sank. An Sedimenten bringen sie ohnehin ca. 2 Milliarden Tonnen jährlich aus den Bergen mit.
...und von nun an ging es bergab.... (Hildegard Knef).
Die Wälder sind verschwunden, Mangroven werden immer noch abgeholzt und nicht nur in der Karibik nimmt die Zahl der Wirbelstürme wie im Jahr 2005 zu. Drückt ein Cyclon im Südwestmonsun gegen das Delta, steigt der Meeresspiegel bis zu 60cm an und staut die Flüsse zusätzlich auf.
Freundlicherweise hat Indien nur 18 km vor der Grenze zu Bangladesh den Farakka-Staudamm am Ganges gebaut. Indien kann nun den Wasserpegel auf seiner Seite besser regulieren. Während der Monsunzeit, wenn
Bangladesh alles gebrauchen kann, nur kein Wasser, bekommt es welches, aber in der restlichen Zeit reicht es auf dem Ganges nicht einmal für die Schifffahrt.
Bangladesh ist das ärmste - und gerade wieder festgestellt - das korrupteste Land der Welt. 92% des Flußdeltas liegen auf seinem Gebiet. Nichts ist in den Griff zu bekommen, nicht durch eigene Kraft, noch durch irgendeine der nicht weniger korrupten
Weltorganisationen.
Die Bevölkerung wächst trotz aller Family-Planning-Progamme weiter, die Mangroven werden immer noch abgeholzt und jede Überschwemmung verseucht durch die total verdreckten Flüsse weiterhin die Trinkwasserreserven. Was nutzen da halbherzige Aufforstungsprogramme oder künstliche Entwässerungskanäle zum Golf?
Na ja, in Dhaka kann man hervorragende Tiger Prawns essen und mit Kreditkarte bezahlen und die Nacht in einm der beiden großen Hotels kostete kaum mehr als 375 US$....
Der Junge hier mit seinen Cicklets verdient ja auch mindestens 35 US $! IM JAHR!
Arsen
Fast unbemerkt von uns in Europa spielt sich in Bangladesh und im ostindischen
Westbengalen eine riesige, weltweit nie dagewesene Massenvergiftung von 35
Millionen Menschen ab. Das Trinkwasser ist mit Arsen verseucht.
Traditionell wurde das Trinkwasser dem Oberflächenwasser entnommen. Das ging
so lange gut, wie sich das Bevölkerungswachstum in Grenzen hielt. Aber dann
verdoppelte, verfünffachte, verzehnfachte sich die Bevölkerung in kurzer Zeit. Eine
Wachstumsrate von 3,3% bringt eine Verdopplung in nur 30 Jahren (Beispiel Indien:
1970 - 0,5 und 2004 - 1 Milliarde Einwohner). Die Oberflächengewässer wurden
alleine durch Fäkalien verseucht, schwerste Erkrankungen ließen die UNICEF
handeln.
Ab der Unabhängigkeit 1971 wurden 10 Mio. US$ Röhrenbrunnen gebaut und als
Fortschritt empfunden. Die Erkrankungen nahmen auch folgerichtig ab. Bis 1981
indische Ärzte feststellten, dass immer mehr Arsenvergiftungen auftraten. Beim Bau
der Brunnen wurde von allen Beteiligten vergessen, das Wasser aus den dicht unter
der Oberfläche liegenden Grundwasserschichten auf Arsen zu untersuchen.
Gutachten mussten her und hier beginnt wieder die übliche Schweinerei. Wer
Gutachten bezahlt, bestimmt das Ergebnis! Das "British Overseas Department"
beauftragte und finanzierte das "British Geological Survey" festzustellen, wo das
Arsen im Grundwasser herkommt.
Toll! So viel Geld! Da darf doch das Ergebnis keinem wehtun! Die Arsen-
Konzentration im Grundwasser liegt bei 800 μg/L. Die WHO meint, 10 μg/L seien
noch unbedenklich, die Regierung von Bangladesh lässt 50 μg/L zu. Und nun das
Ergebnis: Die Quellen von Arsen sind zweifelsohne geologischen Ursprungs und
keiner sonst hat Schuld! Die Welt war wieder i. O., jedenfalls für die, die nicht an
Arsen erkrankt waren.
Das Dumme an dem wissenschaftlichen Gutachten ist nur, dass es so etwas sonst
auf der ganzen Erde nicht noch einmal gibt.
Viele Jahrzehnte lang ist chemischer Dünger in das britische Interessengebiet Indien
und Bangladesh geliefert worden, natürlich auch Pestizide, Fungizide und Herbizide.
Hier wurde und wird richtig großes Geld verdient. Je mehr Chemie ausgebracht
wurde, desto besser ging es den Herren Vertretern der Konzerne aus den westlichen
Industriestaaten. Sie sitzen immer noch in Dhaka und haben dicke Budgets für die
netten, fast unbestechlichen Regierungsmitglieder.
Allerdings reicht das von der Chemieindustrie verdiente Geld nicht für eines der
wenigen echten Gutachten. Wer sägt sich schon seinen eigenen Ast ab und was sind hier schon 35 Millionen Menschenleben?