Kapitel 1
An Land
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Malediven - der Zentralfriedhof des Indischen Ozeans?
Kuredu, 1998 und 2000
Kuredu 1998, mit noch unbebauter Sandbank
Kuredu 1998, Sandbank und das interessante Außenriff im Norden
Im Bild oben ist das Außenriff zu erkennen, damals eines der fischreichsten aller besuchter Inseln. Es ist die Nordseite und deswegen ist der Seegang im Winter hier nicht zu groß. Trotzdem musste man Korallenmauern errichten, der Anfang vom Ende.
Eines der wenigen Unwetter in den Monaten Januar und Februar auf den Malediven, Kuredu 1998
Nordseite von Kuredu noch ohne Wasserbungalows
Nordseite von Kuredu mit Mauer zum Außenriff, 1998
Sieht man doch deutlich: Hier fehlt ein Swimmingpool, Kuredu 1998, 2000 gab es den! So ein Idiotismus!
Steg aus Sand. An den Mauern brummte nachts das Leben.
Die Aufnahme des Korallengartens nördlich der Sandbank an der Westspitze von Kuredu entstand im Februar 1998. Kann man sich vorstellen, dass dieses Paradies nur zwei oder drei Monate später total abgestorben war?
Kuredu ist groß. 600 Leute verliefen sich damals auf der Insel, waren mit 20 Tauchlehrern unterwegs. An den Riffen schnorchelte man alleine und ungestört herum. Es gab viel Fisch und schöne Korallen. Und abends viele sehr trinkfreudige Schweden an der AI-Bar. Aber 2018 stehen schon 387 Häuser auf der Insel.
Aber im April/Mai 1998 kam eine Warmwasserströmung von Australien in den Indischen Ozean und alle Korallen starben ab. Nicht nur hier. Das Wetterphänomen El Niño brachte die größte Zerstörung seit Jahrhunderten mit Wassertemperaturen noch in Tiefen von 50 m von 30°C. Die Korallen vertragen nur 28°-32° C.
Korallengarten 2 Monate vor dem Absterben im Februar 1998
Über das Korallensterben las man in Europa nur wenig und die Hoffnung war groß, dass es in abgelegenen Atollen schon nicht so schlimm sein würde. Man buchte 1999 halt das Süd-Nilnandu-Atoll. Die Insel Medhufushi hatte ja gerade neu aufgemacht (s. unten). Umsonst.
Und was geschah auf Kuredu? Man baute einen Pool schon 2000 und so viele neue Bungis an den schönsten Stellen. Es müssen jetzt 1000 sein. Ist im Internet 2018 nicht zu finden wie viele es sind; man schämt sich. Wie überall auf den Inseln wird jetzt hemmungslos alles vermarktet. Man braucht auf Natur ja keine mehr Rücksicht zu nehmen.
Abgestorbene Koralle im Jahr 2000 an der gleichen Stelle w. o.
Wrack bei Kuredu 1998
Westlich von Kuredu gibt es eine Thunfischfabrik. Die Dosen von dort gibt es in Berlin genauso im Super zu kaufen wie in Costa Rica im Mas x Menos. Eines der Fangschiffe ist in den 90er-Jahren hier ein paar Bootsminuten von Kuredu entfernt auf ein Riff gelaufen. Es war ein Abenteuer, hier zu schnorcheln. Leider ist das Jahr des Unterganges vergessen.
Die Aufnahmen sind von 1998. Dem Wuchs der Tischkorallen nach wird das Schiff vor 3 oder 4 Jahren untergegangen sein.
Im Wrack suchten Muränen und sehr viel Fische Deckung.
Roter Bohrschwamm machte sich schon mal an die Arbeit.
Dass man beim Schnorcheln an Wracks herankommt, ist eher selten
Antiasbarsche haben eine neue Heimat gefunden
Sonnenuntergang und dunkle Wolken über dem einstigen Paradies im Jahr 2000. Kam einem vor wie eine Endzeitstimmung. War es ja auch. 2018 kann man feststellen, dass man so viele verschiedene Arten von Fischen und lebende Korallen nie wieder gesehen hat.
Anflug im Jahr 200 auf Kuredu. Im Bild unten ist Norden. Die Sandbank auf der rechten Seit, also im Westen, ist jetzt mit Wasserbungalows bebaut. Die 600 Häuser haben nicht ausgereicht. Schweden hatten damals die Insel fest im Grieg - und die Bars. Wird sich nicht geändert haben, jetzt, wo die Riffe abgestorben sind.
Vilu Reef Beach & Spa Resort, 1999
Medhuffushi, Süd-Nilandu-Atoll
Der alte maledivische (oder der auf den Seekarten) Name und der ziemlich idiotische Name unter dem man hoffte, gute Geschäfte zu machen. Aber El Niño hat auch hier in Frühjahr 1998 alles zerstört. Die Leute vom Management hatten die Insel gerade eröffnet und jetzt saßen sie ziemlich verzweifelt hier bei der Ankunft herum.
Irgendwo im Nord-Nilandu-Atoll
Medhuffushi 2011
Hier, an der Nordostecke von Medhuffushi, darf man sich jetzt die Wasserbungalowanlage noch mal so groß wie die Insel vorstellen. Auch hier wird jetzt vermarktet, was irgendwie geht.
Fast schon tragisch für die Malediven kommt jetzt in den Wintermonaten, wenn der Nord-West-Passat weht und den Smog aus China und Indien über den Indischen Ozean drückt und wenn dann sogar noch die Sonne fehlt - was bleibt dann noch?
Medhuffushi - über Wasser war 1999 die Welt noch in Ordnung
Man träumt vom Urlaub, von einer Insel mitten im Indischen Ozean, von Sandstrand und schrägen Palmen über türkisfarbenen Wasser. Teuer zwar, aber schön. Und wo landet man? In einer Holzbude über einem Korallenfriedhof, die Bauten eng zusammenstehend wie Plattenbauten in Halle-Neustadt. Hoffentlich kommen nicht alle auf die Idee, sich mal zur gleichen Zeit auf den zugebauten Inseln an den Strand legen zu wollen.
Die Insel heißt Mehhuffushi und liegt im Süd-Nilandu-Atoll. So findet man sie auf der Seekarte. Aber nein, vermarktet wird sie als Velu Reef Beach & Spa Resort im Dhaalu Atoll . Man merkt, da soll etwas Kaputtes vermarktet werden. Na dann viel Spaß auf 3 Wochen Holzbohlen! Wer so etwas bucht, hat ´ne Macke!
Sonnenaufgang auf Medhuffushi - wie schön ist es
ohne Wasserbungalows mal gewesen!
Jahr 1 nach dem El Niño - man konnte sich das gar nicht vorstellen. Im Februar 1998 auf Kuredu war noch alles in Ordnung. Vage berichtete die Presse darüber, Tauchschulen und Tourismusindustrie wiegelten ab. Also ein weiter entfernteres Atoll buchen. Medhuffushi hatte gerade aufgemacht; es wird schon nicht so schlimm sein.
War es aber doch! Die Twin Otter war noch nicht zurückgeflogen, da war der Kopf schon unter Wasser. Unfassbar! Alles abgestorben. Missmutig-traurig saß das Management herum und berichteten, dass während der letzten Bauphase die Warmwasserwelle die Unterwasserwelt vernichtete. Da tröstete auch der Walhai im Kanal zur Einheimischeninsel Meedhoo nicht. Von dort schallten die Rufe des Mullahs (besser: dessen Lautsprecher) 5 mal am Tag herüber.
Man hatte sich wirklich Mühe gegeben…
Gruppenbild mit weißem Pelikan
Betonsäule verkleidet
An Personal gab es keinen Mangel. Es gab in den beiden Nilandu-Atollen nur 2 Urlauberinseln und die Arbeitsplätze kamen gelegen. Die neuen Häuser waren großzügig mit offenen Bädern konzipiert und mit Badewannen ausgestattet, die natürlich nie benutzt wurden.
Eine Fehleinschätzung, so etwas einzubauen. Genau wie manche Betonsäulen, die mit Schneckengehäusen verkleidet waren. Was muss das für ein Paradies gewesen sein, wo so ein Überfluss herrschte, dass sich keiner Gedanken zu machen brauchte. Die Schnecken waren ja immer da. Leider nur bis 1998.
Welcher Idiot hat denen hier nur eingeredet, dass man eine Wanne braucht?
Medhuffushi hat einen wunderschönen alten Palmenbestand
Ist das nicht herrlich? Ganz andere Atmosphäre als in den Atollen um Male herum.
Die idyllischen Bilder täuschen etwas, denn hier hat sich ja gerade eines der größte Dramen in der Geschichte der Natur abgespielt. Ein Ozean ist abgestorben.
Weite Teile des Indischen Ozeans sind im letzten Jahr abgestorben und werden sich in der Form- und Artenvielfalt über Generationen nicht mehr erholen.
Viele mögen das nicht glauben. Auch gut. Sie sollten sich aber mal vor Augen führen, dass z. B. einige Steinkorallenarten ein Wachstum von 1 mm im Jahr haben. Um auf festem Stand anwachsen zu können und den Fuß der Koralle auszubilden, benötigen sie etwa 100 Jahre.
Es scheitert schon am festen Standort. Die alten Korallenreste sind jetzt schon zerbröselt. Sie lösen sich im saurer werdenden Wasser auf. Und wo sollen die Larven herkommen?
Bis dahin kann ja der "Ungläubige" die Wasserghetos mit den Luxus-Jacuzzi-Scheißhäusern buchen. Der braucht ja sowieso keine Natur.
Adios!
Wie kann man ein solches Paradies nur so nachhaltig zerstören?