Nördlich des Straßenzuges 17. Juni / Unter den Linden
Die Oranienburger Straße im Wandel der Zeiten
Die Oranienburger Strasse: Aufnahmen vom 30. Dezember 2006, 14:00 Uhr
Blick nach Westen zur Friedrichstraße
Blick nach Osten Richtung Hackescher Markt.
März 2007
Oranienburger Straße
Braune Jahre
Oranienburger Straße 14. April 2007
Schlimm müssen die Braunen Jahre gerade hier im Jüdischen Viertel gewesen sein. Schnell wurde man von den Erwachsenen weitergezogen, stellt man nach dem Krieg die Frage, was das denn für ein imposantes Backsteingebäude da hinten auf dem Hof sei: "Nun komm schon, das war das Jüdische Krankenhaus".
Ein jeder wusste hier Bescheid, was die Nazis anrichteten, wenige stemmten sich dagegen. So wie der Polizist , der das Abfackeln der Synagoge verhinderte.
Als der Spuk dann vorüber war, war alles und alle schwer gezeichnet. Die Bombennächte ab 1943, die im Krieg gebliebenen Väter und Söhne - jede Familie, die hier wohnten, waren schwer gezeichnet. Wir hatten hier gelebt...
Eigenartig. Wir Deutsche sind noch lange nicht mit unserer Vergangenheit im Reinen. Zu jedem Kapitel auf dieser Seite kann eine Flagge, ein Emblem den Text auffrischen, nur hier zum 3. Reich geht das nicht...
S-Bahnhof Oranienburger Straße
S-Bahneingang Oranienburger Straße vor dem Postfuhramt
Der S-Bahnhof der Nord-Süd-Bahn direkt vor dem Postfuhramt ist nicht so alt. Er wurde am 28. Mai 1936 eröffnet. Hat ihn nicht jeder schon mal mit dem U-Bahnhof Oranienburger Tor in der Friedrichstraße verwechselt?
Die DDR machte ihn am 13. August 1961 zum "Geisterbahnhof". Die Züge aus Westberlin nach Westberlin rauschten hier bis zum 2. Juli 1990 durch.
Das alles wäre nun kein Grund, diesen unscheinbaren Bahnhof hier zu erwähnen, hätte es da nicht ein Ereignis im Krieg gegeben. Der Bombenhagel auf Mitte hatte den Nord-Süd-Tunnel von Bombentreffern weitgehend verschont. Bei Luftalarm suchten die Leute aus den umliegenden Häusern auch in den unterirdischen Bahnhöfen Schutz.
Es soll am 2. Mai 1945 gewesen sein, 6 Tage vor Kriegsende. Der Bahnhof war voller Menschen. Eine Nachbarin, so wurde später immer erzählt, war auch dort unten und berichtete von plötzlichem Wassereinbruch. Es sollen viele Menschen den Weg nicht mehr nach oben geschafft haben und seien ertrunken.
Es ist nichts genaues in Büchern oder im Netz zu finden. Es gibt nur Gerüchte über zahlreiche Opfer durch den Wassereinbruch, belegt ist nichts.
Waren es Bombentreffer am Landwehrkanal, viel weiter weg, oder drang Wasser aus der nahen Spree ein? Jedenfalls hat Tante Anna aus der Auguststraße bestimmt nichts Falsches erzählt. Sie hat viele Tote gesehen. Der Tunnel wurde erst im November 1947 wieder in Betrieb genommen.
"Bau auf, bau auf, Freie Deutsche Jugend, Bau auf..."
Warum Breschnew so eine breite Brust hatte?
Na, er trug einen Herzschrittmacher von Robotron.
Die dem "1000-jährige Reich" folgenden Jahre schafften es nicht, dem Viertel um die Oranienburger Straße wieder ein Gesicht zu geben. Auch nicht mit all dem frischen Gesang. Die Unterschiede zwischen den beiden geschundenen Stadthälften nahmen zu.
Die einen mussten in der Schule das Lied von den "Moorsoldaten" singen. 6 Strophen (!) - welchen Hintergrund das Lied auch immer hat: aber singt man so etwas freiwillig?
Wirklich, man höre da mal rein und lese den restlichen Text:
1. Wohin auch das Auge blickt. Moor und Heide nur ringsum.
Vogelsang uns nicht erquickt, Eichen stehn kahl und krumm.
Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor!
Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor!
Die anderen hatten da mehr Bill Haley & His Comets" und "Rock around the clock" im Ohr.
"Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten... "
Einen Vorteil hatte diese Zeit aber auch. Nie konnte man zwei Welten so einfach auseinander halten. Am ersten Ton der Musik oder wenn die Nachrichten im Radio begannen :
"Der Staatsratsvorsitzende der Deutschen Demokratischen Republik, der 1. Sekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der Ehren... Walter U/Erich H...."
"Ich bin ein Berllinner!"
Da war dann das Spannende vorbei und es kamen immer die gleichen Meldungen wie:
... zum 2. Mal erhält die Agrar-Ökonomin Gesine S. vom Kombinat "Blaue Eule" in Tambach-Dietharz die Auszeichnung "Banner der Arbeit für hervorragende und langjährige Leistungen bei der Stärkung und Festigung der DDR, insbesondere für hohe Arbeitsergebnisse in der Volkswirtschaft. Sie hat im Rahmen des x.-Fünf-Jahresplan das Plansoll mit 218,4 % im Wachküssen der Waldbienen zum Wohle unserer sozialistischen Republik übererfüllt....
Aber auch "Staatsbürger der DDR" - so die Witze - schalteten weg, wenn der "Schwarze Kanal von und mit Karl-Eduard von Schn.... " im Fernsehen kam. Viele sollen den Nachnamen nie ganz gehört haben...
Die DDR nahm es nicht so genau mit der Aufarbeitung der Geschichte des Jüdischen Viertels oder Preußens. Sie waren ja die bessern Deutschen: Arbeiter und Bauern eben. Die anderen waren ja Revisionisten, Faschisten, Imperialisten, Kapitalisten und sonst was schlimmes, Klassenfeinde aus der BRD. Bis zur Wende blieb hier alles Grau in Grau. Vertrautheit und Traurigkeit hielten sich die Waage, als man mit Passierscheinen und Zwangsumtausch wieder hier her durfte.
Da, wo es heute in manchen Häusern in der Oranienburger gleich mehrere Lokale gibt, gab es in der Zeit als "Berlin, Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik" hieß - nichts, wirklich nichts. Es war halt so grau und triste - gerade in der Oranienburger - wie sonst nirgends auf der Welt.
Alles sah so aus wie heute noch die Fassaden des Tacheles und des HTA, des alten Haupttelegrafenamts gegenüber der Neuen Synagoge, die damals verrammelt war und vor sich hingammelte wie alle Gebäude der Gegend.
Fast alle Fassaden hatten noch lange nach der Wende Einschußlöcher vom Endkampf des 2. Weltkrieges. Die geschmacklosen Technokraten (man denke nur an Honnies Wandlitzvilla) hatten nur Glück, dass die Altvorderen alles so solide gebaut hatten, sonst wäre ihnen der marode Laden DDR schon viel eher unter dem Hintern zerbröselt.
Was sie gut konnten, war Historisches (Schloss!) zu tilgen und herrliche Umbenennungen hinzubekommen:
Jägerstr. in Otto-Nuschke-Str. (klingt das nicht?), Elsasser in Wilhelm-Pieck, all die Rosa-L., Karl-L., Hermann-Matern-, Karl-Marx-, Lenin-, Stalin,- Grotewohl (hallo Otto!) - Straßen, Alleen usw. Selbst der Bahnhof Börse (gut: die gab es nicht mehr) und der Lustgarten wurden Marx-Engels geopfert..... 40 Jahre lang überinterpretiert, von der Geschichte überrollt, zu Recht vergessen, die beiden.
So, das musste sein.
Obwohl die beiden Bilder vom Dezember 2006 sind, geben sie ein Feeling der grauen Oranienburger Straße in den Jahren der DDR wieder. So sah es hier überall nach dem Krieg und nach all den vielen ruhmreichen 5-Jahres-plänen aus:
Die Rückseite des Haupttelegrafenamtes in der Monbijou- und die Front in der Oranienburger Straße gegenüber der Synagoge.
Früher hieß der graue Bau gegenüber der Synagoge HTA - Haupttelegrafenamt. Grau ist es immer noch. Die ARD nutzt hier einen Saal.
Fazit
Und? Was ist geblieben von der grauen Zeit mit den roten Spruchbändern, der unzerbrechlichen Freundschaft mit der glorreichen Sowjetunion? Nostalgische Rundfahrten in Trabbis? Die Ampelmännchen? Wer sie denn mag. War nicht der letzte, der mit so einem Strohhut in der Stadt gesehen wurde, ein gewisser Erich Honecker?
Damit keiner auf dumme Gedanken kommt: Die beiden Ampellichter sind Ecke Oranienburger /Tucholskystraße vom Autor fotografiert und dann ausgeschnitten worden! Schließlich finden gerade Prozesse um die Vermarktung dieser so herrlich in eine moderne Welt passenden Symbole statt.
Ach: wie niedlich!
Die einst so graue Straße im Jahre 2006
Wer einst vorhergesagt hätte, dass hier im historischen Viertel der Juden in der Spandauer Vorstadt mal die Inder mit all ihrer Exotik und Düften den Ton angeben würden - zumindest mit den Restaurants - der wäre als Wessi in Wittenau und als Ossi in Beelitz gelandet.
Die folgenden Bilder sind nur in der Oranienburger Straße aufgenommen worden. Von der Friedrichstraße bis zum Hackeschen Markt sind es vielleicht 2000m.
Warum noch so wenig los ist? Es war Sonnabend, der 16.Dezember 2006 zwischen 14:00 und 16:00 Uhr, kalt und ungemütlich.
Die Oranienburger Straße hat noch nicht richtig begonnen, dort, wo die Linien- auf die Friedrichstraße trifft. Den "Gambrinus" gab es hier wohl schon immer, vielleicht schon vor dem Krieg. Muss mal den Wirt fragen...
Alle neuen Reiseführer, und gerade die für Backpackers aus allen Ländern, haben sowohl die Bergmannstraße in Kreuzberg als auch die Oranienburger Straße in Mitte mit vielen Seiten bedacht. Die meist jugendlichen Touristen sind über die für europäische Verhältnisse sehr geringen Preise für Speisen und Getränke immer wieder erstaunt.
Natürlich sind die vielen schrägen Clubs und angesagten Kneipen der Gegend noch viel anziehender. Überhaupt das Nachtleben. Es stehen viele ausgesprochen hübsche, blonde Frauen auf der Fahrbahn vor den geparkten Autos. Knapp gekleidet, hohe
Wangenknochen, aus der Ukraine? Aus Weißrussland? Was die da nur wollen?
Der Straßenstrich stört nicht weiter das quirlige Leben an Sommerabenden in der Oranienburger Straße. Es hat ihn wohl schon in den "Goldenen Zwanzigern" hier gegeben, was man dem Autor als Junge allerdings sorgsam verschwiegen hat.
!!Touristenwarnung!!
Stellen Sie bitte keinem Berliner - sofern Sie einen Treffen - unüberlegten Fragen. Erkennt der da irgend eine Blöße, eine Kerbe, haut er ohne zu überlegen gnadenlos da rein. Ein Beispiel?
Elegante Dame am Buga-Parkeingang:
Wann schließen Sie denn?
Wenn et dunkel wird.
Wann ist denn das?
Na, wenn se nüscht mehr sehn!
Die Geschäfte kammen und gehen. 2017 sieht schon wieder alles anders aus.
Weiter, weiter: Hier ist man doch erst an der Tucholskystraße...
Huch: Das ist ja nur ein Fahrradladen!
Yo soy, Spanisch: "Ich bin" - gleich um die Ecke, schon in der Rosenthaler Straße, aber Vino Tinto und Tapas sind ja fast schon bodenständig zu nennen nach all der exotischen Küche in der Oranienburger Straße.
Wären die Autos nicht: Uraltes Berlin, aber es ist der 14.04.2007, 17:25 Uhr
Oranienburger Str. bei minus 9°C am 1. Feb. 2012
Die Oranienburger Straße in Coronazeiten 2020/21
Oranienburger Str. in Coronazeiten, Sonntag, 22.März 2020
Oranienburger Str. 19, Juli 2021
Heute beherbergt das vollkommen renovierte Haus eine Wohnstätte der Lebenshilfe Berlin.
In der Nachkriegszeit wurde das Haus von der Psychologischen Fakultät der Humboldt-Universität genutzt. Ein ehemaliger Ballsaal war zu einem Hörsaal umgebaut.
Aber das spannendste war im Keller zu sehen: Ratten. Viele weiße Laborratten. Am Wochenende durften wir Kinder schon mal mit rein und den Ratten Futter und Wasser geben. Da waren Irrgärten und einige nie gesehene Versuchsanordnungen, in denen die Intelligenz der Tiere erforscht wurden.
Der absolute Höhepunkt aber war der verwilderte Garten hinter dem Haus. Was für ein Abenteuerspielplatz! Hier kam ja keiner rein. Einmal fanden wir eine vollkommen verrostete Pistolen, notdürftig verbuddelt als der Krieg vorbei war. Nich selten damals.
Einen geheimnisvollen Ort gibt es hier noch immer, wenn auch nicht mehr ganz so spannend. Um den Ort vor zu viel Zulauf zu schützen, sei er hier nicht verraten.