Nördlich des Straßenzuges 17. Juni / Unter den Linden
Der Name "Spandauer Vorstadt" kommt aus dem Mittelalter. Hier, vor den Toren Berlins, genauer: vor dem Spandauer Tor, hatten die Bewohner ihre Gärten zur Selbstversorgung. Aber Mitte des 17. Jhdt. breitete sich die Stadt auch nach Norden aus.
Da man durch das Oranienburger Tor Spandau erreichte, hieß die Gegend innerhalb der Mauer Spandauer Vorstadt und im "Grundriss der Königl. Residenzstädte Berlin" von 1792 auch Spandauer Viertel.
Das Viertel vor dem Tor hieß Oranienburger Vorstadt .
Den Begriff Spandauer Vorstadt gibt es heute noch, aber selbst eingefleischte Berliner kommen damit nicht so richtig klar. Der Umfang ist auf der Karte oben eingezeichnet. Es ist in etwa das Gebiet zwischen Friedrichstraße, Torstraße, Rosenthaler Straße und der Spree.
Man unterschied eine westliche und eine östliche Spandauer Vorstadt. Die westliche reichte bis zur Rosenthaler Straße und galt als die bessere, reichere Gegend, während die östliche Spandauer Vorstadt von den vor den Pogromen geflüchteten osteuropäischen Juden beeinflusst war.
Ohne genaue Grenzen nennen zu können, wurde und wird die Gegend auch Jüdisches Viertel genannt. Die Juden haben es geprägt mit ihren Schulen, Krankenhäusern, Synagogen, Friedhöfen, mit den Betrieben und mit Handel.
Die Gegend nördlich der Spandauer Vorstadt um die Acker- und Gartenstraße nannte sich Scheunenviertel und war geprägt von üblen Mietskasernen.
Historisches
13. Jahrhundert >> Der Straßenzug der Oranienburger Straße existierte schon im 13. Jahrhundert als Spandauer Heerweg.
1694 >> Der Spandauer Heerweg wird gepflastert
1699 >> Ab 1699 gab es offiziell Straßennamen in Berlin.
1705 >> Palisadenzaun in der Linienstraße und erstes Oranienburger Tor werden errichtet.
1737 >> Im Stadtplan von Berlin aus dem Jahr 1737 (in der Karte ist Süden am oberen Blattrand!) ist die Oranienburger Strasse schon verzeichnet. Der Begriff hatte sich eingebürgert, obwohl die offizielle Benennung erst am 26. Juni 1824 erfolgte.
1740 >> Der Spandauer Heerweg wird erneuet gepflastert.
1740 >> Als Friedrich der Große ("Der Alte Fritz") 1740 die Regierung übernahm, hatte Berlin 98.000 Einwohner.
1788 >> Das Oranienburger Tor wird als römischer Triumphbogen verlegt und neu errichtet.
1824 >> Die Oranienburger Straße wird am 26. Juni 1824 offiziell so benannt. Berlin hat jetzt ca. 230.000 Einwohner.
1861 >> Häuser in der Krausnickstraße werden gebaut.
1864 >> Straßenbahneschienen werden in der Oranienburger Str.verlegt.
1867 >> Das Oranienburger Tor wird als Verkehrshindernis zusammen mit der Palisadenmauer abgerissen
1875 >> Postfuhramt
1906 >> Das Haus in der Artilleriestraße 26 (heute Tucholskystraße) wird gebaut. Ein Beispiel.
1907 >> Die Friedrichstraßen-Passage (heute Tacheles) wird gebaut und ist 1909 fertig.
1936 >> Der S-Bahnhof Oranienburger Straße wird am 28. Mai 1936 eröffnet.
1943 >> Schwere Bombenangriffe mit Brand- und Sprengbomben am 23. Nov. beschädigen u. a. das Postfuhramt
1944 >> Am 19. Mai brennt nach Bombenangriffen das Postfuhramt an der Oranienburger Straße
Oranienburger Tor
Das Oranienburger Tor befand sich dort, wo heute die große Kreuzung des nördlichen Endes der Friedrichstraße - Chausseestraße- Hannoversche Straße und Torstraße ist. Heute erinnert noch der U-Bahnhof an das Tor.
1705 wurde entlang der Linienstraße ein Palisadenzaun errichtet und ein erstes Tor genau am Ende der Oranienburger Straße erbaut.
1734 bis 1736 wurde dann die BERLINER ZOLL- UND AKZISEMAUER gebaut. (Akzise = städtische Steuer, Binnenzoll). Seit 1736 ist der Name Oranienburger Tor dann amtlich.
1787/88 wurde aus dem Tor ein Triumphbogen, römischen Vorbildern nachempfunden. Rechts und links mit Durchgängen für Fußgänger. Gebaut wurde das Tor von Carl von Gontard. 18 dieser Stadttore gab es.
1867 waren die Tore nach Stadterweiterungen nur noch Verkehrshindernisse und wurden zusammen mit der Mauer abgerissen. Wie es scheint haben Mauern in Berlin nur eine begrenzte Haltbarkeit...
Genau am Tor befand sich die Lokomotivfabrik von Borsig. Albert von Borsig, der Sohn des Gründers August, erwarb 2 Sandsteintrophäen aus dem Tor und baute sie in die Pfeiler des Tores in Groß Behnitz im Havelland ein. Dort hatte die Familie Borsig das vormalige Itzenplitz’sche Schloss erworben und dort stehen sie immer noch.
Die 2 Sandsteinfiguren in diesem Tor in Groß Benitz im Havelland sind die Reste aus dem 1867 abgerissenen Oranienburger Tor. Dort hatte die Familie Borsig das vormalige Itzenplitz’sche Schloss erworben und die Figuren integriert (s. hier).
Geheimnisvolles
Wer nur so all die meist recht kurzen Straßen der Spandauer Vorstadt durchstreift, wird es nicht bemerken. Er läuft rechts und links an jetzt wieder geschlossenen Häuserfronten vorbei.
Er wird die Geheimnisse nicht ohne weiteres entdecken: die großen Flächen hinter den Fassaden. Wer um das Quarre Krausnick-, Große Hamburger-. Oranienburger Straße läuft, der ahnt nichts von dem großen Krausnickpark der dahinter liegt. Auch den Jüdischen Friedhof mit seinen 0,59 ha Fläche könnte man zu den nicht zu erwarteten Freiräumen hinzuzählen.
Wer die Synagoge nicht besucht, weiß nicht, dass das Gelände fast bis an die Auguststraße heranreicht. Wer nicht durch den schmalen Eingang der St. Hedwigs-Krankenhaus auf den Hof geht, weiß nichts von dem weitläufigen Gelände westlich zwischen Krausnick- und der Großen Hamburger Straße.
Aber wie kam es zu dieser Entwicklung? Vielleicht hängt es mit dem Lustgarten zusammen. Der heißt zwar erst seit 1646 so, war aber lange der Küchengarten für das Schloss. Bis 1713 Friedrich I. an die Macht kam. Der Soldatenkönig brauchte Platz für seine Langen Kerls. So wurde das Gemüse eben außerhalb Berlins, auf der anderen Seite nördlich der Spree angebaut. Dort wo heute der Monbijoupark ist. Das war Ende des 16. Jhdt. Pest und 30-jähriger Krieg waren zu Ende. Berlin hatte nur noch 6.000 Einwohner.
Von nun an wuchs Berlin wieder. Andere wollten ebenfalls Flächen für Gärten und zum Verweilen haben. Sie zogen noch etwas nördlicher, keine 200 m nur, hinter den Spandauer Heerweg. Der bekam 1694 diesen Namen, seit 1737 ist es die Oranienburger Straße. So entstand diese große Fläche, die heute Krausnickpark genannt wird. Die Hauser drumherum wurden meistens erst ab 1850 gebaut.
Leute, die in Berlin keinen Lebensraum fanden, wurden ab 1700 nur wenig weiter nördlich angesiedelt, in der Arme Sündergasse. Heute ist es die Auguststraße.
So breitete sich die Stadt hier immer weiter nach Norden aus. Mit Beginn der Industrialisierung nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 entstanden die großen Mietskasernen mit den vielen Hinterhöfen jenseits der Torstraße - „Zille sein Milljöh“.
Versteckt: Der Krausnickpark
Krausnickpark . Im Hintergrund die Sophienkirche an der Großen Hamburger Straße
März 2022
Spielplatz
Der Park hat wirklich nur einen einzigen Eingang von der Oranienburger Straße aus.
Diese, die Krausnick- und die Große Hamburger Straße
Um ganz ehrlich zu sein: Die Karte wurde (auch) gesucht und beschriftet, um selber einen Überblick über die Jahrhundert alten Bezeichnungen der historischen Mitte Berlins zu haben. Steht ja nicht mehr am Bus A100 dran, dass er gerade durch eine „Dorotheenstadt“ (schöner Name!) fährt. Wozu auch.